Planen von öffentlichen Räumen
Attraktive Freiräume für die urbane Zukunft
Immer mehr Menschen teilen sich denselben Raum. Freiräume geraten durch die innere Verdichtung zunehmend unter Druck. Baulücken werden geschlossen, Brachflächen überbaut, die Nutzungsintensität nimmt zu und die an die Freiräume gestellten Ansprüche steigen. Gleichzeitig ergibt sich aber auch die Chance zur Neugestaltung und Aufwertung ganzer Areale.
Werden städtische Grundstücke im Baurecht vergeben statt verkauft, kann die öffentliche Hand mehr Einfluss auf die Gestaltung der Flächen nehmen. Dies hat die Stadt Bern in der Siedlung Baumgarten getan: https://siedlung-baumgarten.ch/
Verschiedenste Akteur:innen wie Landschaftsarchitekten, Planer:innen, Bauherren, Investor:innen, Behörden, Politiker:innen oder Unterhaltsverantwortliche bzw. Anwohner:innen sind gemeinsam dafür verantwortlich, dass städtische Freiräume - trotz oder gerade wegen der baulichen Verdichtung - langfristig Lebensqualität und Identität stiften.
Damit das räumliche Zusammenrücken von der Bevölkerung akzeptiert wird, sollten Freiräume Ruhe und Erholung bieten, zu Bewegung, Spiel und Sport animieren, soziale Kontakte ermöglichen sowie ökologische Funktionen erfüllen. Wenn Wohnumfelder und öffentliche Freiräume die an sie gestellten, wachsenden Anforderungen erfüllen sollen, müssen Planung, Gestaltung, Bau und Betrieb dieser Räume gut aufeinander abgestimmt werden.
Unterschiedliche Ansprüche
Die Bedürfnisse zur Nutzung von Freiräumen unterscheiden sich je nach Alter, Geschlecht, körperlicher Beeinträchtigung, ethnischer Herkunft, sozialer Rolle sowie Arbeits- und Lebenssituation stark. Zu Beginn einer Planungsphase sollten deshalb die unterschiedlichen Nutzergruppen identifiziert und deren spezifische Ansprüche anhand einer differenzierten Nutzungsanalyse ermittelt werden. Nur so können Freiräume für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen bedürfnis- und alltagsgerecht gestaltet und von diesen schliesslich auch gleichberechtigt genutzt werden.
Vielfältig genutzte und zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten belebte Räume werden in der Regel als angenehm und sicher empfunden und zeichnen sich unter anderem durch ihre Nutzungsflexibilität, Hindernisfreiheit, Zugänglichkeit und Multifunktionalität aus. Qualitativ wertvolle Freiräume weisen eine ansprechende und übersichtliche Gestaltung auf und erfüllen verschiedene ökologische Funktionen, etwa indem sie Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten, Lärm filtern und sich positiv aufs Stadtklima auswirken.
Instrumente ausschöpfen
Die Anforderungen an die beteiligten Instanzen sind hoch. Die politischen Behörden in Städten und Gemeinden können eine nachhaltige Freiraumentwicklung bewusst steuern indem sie griffige Planungsunterlagen schaffen, bei der Planung und Bewirtschaftung von Freiräumen eine Vorbildfunktion einnehmen, durch eine aktive Bodenpolitik vorausschauend Frei- und Grünräume sichern und die Mehrwertabschöpfung in die Aufwertung von öffentlichen Flächen investieren.
Die öffentliche Hand kann in einem Planungsprozess auch eine wichtige phasen-, bereichs- und ämterübergreifende Koordinationsfunktion übernehmen; allerdings besteht hier vielerorts noch Optimierungsbedarf. Indem stadteigene Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern nur noch im Baurecht vergeben werden, wie dies beispielsweise in Basel und Zürich der Fall ist, kann die Stadt Einfluss auf die Gestaltung der Flächen nehmen. Zum Beispiel indem sie Planungs- und Architekturwettbewerbe fördert.
Deutlich eingeschränkter ist die Einflussmöglichkeit bei Grundstücken von institutionellen und privaten Wohnbauträgern. Hier braucht es seitens der öffentlichen Hand eine enge Kooperation mit der Bauträgerschaft und viel Überzeugungsarbeit, gerade auch bei den Investoren. Nicht nur eine hohe Dichte, sondern auch attraktiv gestaltete Grün- und Freiflächen sind entscheidend für den Wert und die Rentabilität einer Immobilie.
Verschiedene Gemeinden und Städte haben in den letzten Jahren Leitbilder und Konzepte für die Frei- und Grünraumgestaltung erarbeitet. So hat beispielsweise die stark wachsende Gemeinde Suhr ein Freiraumkonzept in Auftrag gegeben, um die Siedlungsentwicklung nach innen mit dem Schutz und der Aufwertung von Siedlungsfreiflächen in Einklang zu bringen. Dank eines vielfältigen, naturnahen und vernetzten Freiraumangebots soll eine hohe Lebensqualität erhalten und gefördert werden. Das Freiraumkonzept definiert die wichtigsten Bausteine und ist bei Gestaltungsplänen, Arealübungen, Strassenvorhaben sowie als Grundlage bei Planungs- und Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen.
Die alle zehn bis fünfzehn Jahre anstehenden Ortsplanungsrevisionen bieten Gelegenheit, die in den vorhandenen Planungsinstrumenten - behördenverbindliche Richtpläne, Leitbilder und Konzepte sowie grundeigentümerverbindliche Nutzungspläne mit ihren Bau- und Zonenordnungen - formulierten Anforderungen an die Aussenraumgestaltung zu überprüfen und gegebenenfalls griffiger auszuformulieren. Sondernutzungspläne wie Gestaltungs- und Bebauungspläne sind wichtige Instrumente um Grünräume zu sichern, Siedlungen zu begrenzen und verbindliche Vorgaben zur Gestaltung von Aussenräumen zu machen.
Gestaltung ist entscheidend
Die eigentliche Gestaltung der Freiräume ist entscheidend dafür, wie wohl und sicher sich die Leute dort fühlen. Übersichtlich gestaltete Flächen erlauben eine rasche Orientierung und fördern das Sicherheitsgefühl. Sichtbeziehungen zwischen Aussen- und Innenräumen beziehungsweise verschiedenen räumlichen Teilbereichen sowie eine direkte, abwechslungsreiche und übersichtliche Wegführung sind ebenso wichtige Kriterien wie die verwendeten Materialien, die Ausstattung, Vegetation und Besonnung.
Damit die Freiräume von verschiedenen Bevölkerungsgruppen genutzt werden, braucht es aber auch Rückzugsmöglichkeiten, Sitzgelegenheiten, Flächen für Spiel und Sport sowie einen hindernisfreien und einfachen Zugang. Je besser Freiräume zugänglich und erlebbar sind, desto grösser ist das Bewusstsein für ihren Wert und damit die Identifikation mit dem eigenen Lebensumfeld. Dafür braucht es neben einer hohen Gestaltungsqualität auch die Möglichkeit der Bevölkerung, die Räume mitzuprägen.
Mehr als eine Alibiübung
Der frühzeitige Einbezug der unterschiedlichen Zielgruppen sollte trotz der anfänglichen Zusatzkosten und anspruchsvollen Aufgabe kein notwendiges Übel sein. Vielmehr ist es eine zentrale Chance, potenzielle Nutzungsdefizite und -konflikte aufzudecken und Anlagen so zu bauen bzw. zu erneuern, dass sie von den Anwohner:innen angenommen und belebt werden.
Langfristig gesehen lohnen sich partizipative Planungsverfahren in der Regel auch finanziell, weil die gesellschaftliche Akzeptanz für das Projekt steigt und ein grösseres Interesse an dessen Werterhaltung besteht. Bauträger gewinnen an Planungssicherheit, sodass kostspieligen Verhandlungsprozessen und Einsprachen zumindest teilweise vorgebeugt werden kann.
Es gibt unterschiedliche Ebenen und Wege, die Bevölkerung abzuholen - beispielsweise über Workshops, Ausstellungen, Pflanzaktionen, Umfragen, im Rahmen von Testplanungen oder durch den Dialog mit Delegierten aus dem Quartier. Damit partizipative Prozesse nicht zu einer Alibiübung verkommen und für alle Beteiligten im Frust enden, sollte die Zielsetzung und die Frage, wer wann welche Artikulations- und Einflussmöglichkeiten haben sollte, anfänglich gründlich geklärt werden.
Es wird nie möglich sein, “die Bevölkerung” einzubinden, sondern höchstens diejenigen Akteur:innen zu erreichen, die zu gegebenem Zeitpunkt ein Interesse an der Thematik haben, sich unmittelbar betroffen fühlen, von ihrer Teilnahme einen Nutzen erwarten oder aus zeitlichen Gründen teilnehmen können. Oft ist es gewinnbringender und effizienter, zielgruppenspezifische Gefässe zu nutzen.
Bei der Errichtung eines Quartiergartens in Yverdon-les-Bains VD wurden etwa die Kinder im Rahmen eines Zeichenwettbewerbs und beim Anpflanzen einbezogen. Die erwachsenen Quartierbewohner konnten ihre Bedürfnisse zuerst in Workshops anmelden und später aus mehreren von Landschaftsarchitekten angefertigten Skizzen die definitive Gestaltung und Bepflanzung auswählen.
Unterhalt frühzeitig einbinden
Freiräume befinden sich in einer ständigen Veränderung und Entwicklung. Dieser Prozess muss begleitet, gepflegt und moderiert werden. Nicht nur dafür, sondern auch für die langfristige Sicherstellung eines fachgerechten und differenzierten Unterhalts sind entsprechende Ressourcen und Kompetenzen nötig. Pflege, Sauberkeit und Instandhaltung sind für eine positive Wahrnehmung von öffentlichen Räumen von zentraler Bedeutung. Die zuständigen Unterhaltsverantwortlichen sollten unbedingt bereits in der Planungsphase einbezogen werden. Zudem sollten Art und Häufigkeit von sowie Zuständigkeiten für Unterhaltsarbeiten frühzeitig definiert werden.
Die Schaffung, Erhaltung und Weiterentwicklung von qualitativ wertvollen, alltagsgerechten und bewegungsfreundlichen Freiräumen ist eine anspruchsvolle Querschnittsaufgabe, die einen langen Atem verlangt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachleuten und betroffenen Akteur:innen sowie eine gute Abstimmung von Planung, Gestaltung und Betrieb sind dabei wichtige Erfolgsfaktoren.
Verschiedenste, in den letzten Jahre unter anderem im Rahmen von nationalen Programmen wie den “projets urbains”, den “Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung”, der “Strategie Biodiversität Schweiz” oder dem “Nationalen Programm Ernährung und Bewegung” umgesetzte Projekte zeigen, dass mit gut geplanten und attraktiv gestalteten Freiräumen sowohl ein gesellschaftlicher wie auch ökologischer Mehrwert geschaffen und die Attraktivität von Gebäuden respektive der Standortgemeinde gesteigert werden kann.
Die Geografin Claudia Vogt ist Bereichsleiterin Natur und Grünunterhalt bei der Sanu Future Learning AG. Das Unternehmen bietet Weiterbildung und Beratung für nachhaltige Entwicklung an, um die Integration von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten in Unternehmen und Verwaltungen sicherzustellen.